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[Kirche von Unten]

Zum Hitlerbild in der Deutschen Evangelischen Kirche

und

Ein Beitrag zur Kirchlichen Mitte

von Dietrich Kuessner

(Download des Buches einschließlich Anmerkungen als pdf hier)




Gebete für Hitler
Die Folge dieses vulgären Obrigkeitsverständnisses war, dass Hitler in herausragender Weise in das gottesdienstliche Gebet der Kirche aufgenommen wurde. Das Gebet für die Obrigkeit hatte seit Jahrhunderten seinen traditionell festen Platz in der sonntäglichen Gebetsstruktur. Daran änderte sich auch im „Dritten Reich“ zunächst nichts.

Der Liturg konnte wie bisher ganz allgemein  für „alle Obrigkeit“ beten. Die Formulierung nannte auch sonst bewusst Sammelbegriffe: alle Notleidenden, alle Armen, alle Eheleute, und nun auch alle Obrigkeit. So konnte auch für „alle, die zur Führung berufen sind“ oder „für alle Führer“ gebetet werden.

Das erschien 1935 nicht ausreichend. 1935 wurde ein Band „Gebet der Kirche“, verfasst vom bayrischen Pfarrer Otto Dietz, herausgegeben vom bayrischen Pfarrerverein und versehen mit einem Geleitwort von Bischof Meiser. Es enthielt auf 480 Seiten Gebete für das Kirchenjahr, für besondere kirchliche Feste, allgemeine Gebete für besondere Anlässe, für Morgen- und Abendgottesdienste und für Jugendgottesdienste. Es sind größtenteils zeitlose Gebete, wie sie auch heute noch gesprochem werden könnten, darunter aber auch solche, die immer wieder auf die damalige aktuelle Situation Bezug nahmen.   

Es erschien 1935  nicht ausreichend, wenn in der Fürbitte  „alle Obrigkeit“ genannt wurde, sondern es sollte neben der Obrigkeit auch der  „Führer“ ausdrücklich genannt werden, so z.B.  „..erhalte unser Volk und Land im Lichte deiner Gnade. Erleuchte die Obrigkeit, dass sie deine Gerechtigkeit mit Freuden übe; gib dem Führer unseres Volkes rechten Rat und rechte Tat zur rechten Zeit.“ (S. 47)

Wenn sich der Liturg der Sammelbegriffe bediente, blieb die Aufzählung: „alle Obrigkeit“ anonym. Der Beter konnte sie jeweils mit einer Person oder einem Gesicht verbinden. Das änderte sich, wenn ausdrücklich „der Führer“ benannt wurde. Es erschien das Gesicht Hitlers.

Es entstanden neue Zusammenhänge. Klassisch war die Zusammenstellung „der Führer und seine Räte“. Da blieb Hitler in seinen politischen Zusammenhängen. Anders klang es dagegen zu Silvester, wenn die Aufzählung lautete: die Bischöfe, der Führer, die ganze Christenheit“. Der Liturg versetzte Hitler in einen kirchlichen, gehobenen Zusammenhang,  „„..wir danken dir auch für alles, was du an unserer Gemeinde, an unserer Kirche, ihren Bischöfen und Pfarrern, an unserem Vaterlande und seinem Führer, ja an der ganzen Christenheit und an allen Menschen getan hast. O, du bist allen gütig und erbarmest dich aller deiner Werke.“ (S. 32) Am Epiphaniasfest, dem 6. Januar, befand sich Hitler im Kampf mit den Mächten der Finsternis. Es hieß: „Nimm unser Vaterland und seinen Führer in deinen gnädigen Schutz. Überwinde in unserm Volke die Mächte der Finsternis und stärke ihm den Glauben. Heilige das eheliche Leben in allen Ständen..“ (S. 45) Die Erinnerung  an Freidenker und Kommunisten, aber auch an kirchenfeindliche Parteigenossen lag für die Mitbetenden nahe.

Eine besondere Aufzählung erfolgte am Kirchweihfest: heilige Taufe, Obrigkeit und Führer, Gottes Geist:
„ Lass alle Kinder, die an dieser Stätte die heilige Taufe empfangen, zu deiner Ehre aufwachsen. Nimm unser Volk und seine Obrigkeit in Obhut, stehe unserem Führer bei mit deinem ewigen Rat. Gieße deinen Geist über unsere Kirche aus..“ (S. 130)

In der Fürbitte bringt der Liturg die aufgerufenen Gruppen „vor Gott“, bildlich: vor seinen Thron, und fügt Bitten an. Der kirchliche Raum füllt sich mit einer mystischen religiösen Gegenwärtigkeit, erfüllt von den Bitten des Liturgen, der mitbetenden Gemeinde, vor allem aber vom segnenden und manche gute Gabe bereithaltenden Gott.  So wurde in der Fürbitte vom Liturgen Hitler vor Gott hingestellt, nicht in einer Gruppe, sondern als Einziger, im Singular. Dort erhielt Hitler nicht nur den Segen Gottes, sondern erhielt das ganze Kirchenjahr hindurch, wie der Liturg erwähnte, „rechten Rat“.

Diese Fürbitte verstärkte eine Bindung der Gläubigen an den Führerkult. Einige überkandidelte Deutsche Christen hatten ein Hitlerbild auf den Altar gestellt, an einen Ort, der eigentlich nur Heiligen oder Christus selber zukommt. Einer von ihnen hatte die These aufgestellt: In Adolf Hitler sei Jesus Christus in der Gegenwart erschienen. Für diesen Irrsinn war ein Hitlerbild auf einem Altar folgerichtig. Hitler schließlich verbat es sich öffentlich, dass sein Bild auf einem Altar aufgestellt werde.

Der linke Teil der Bekennenden Kirche übte in geschwisterlicher Solidarität eine andere Art der Fürbitte. Sie nannte ab 1935 in der Fürbitte die Namen der verhafteten, aus ihrer Provinz ausgewiesenen, mit Redeverbot belegten, in Schutzhaft verbrachten, in Konzentrationslager verschleppten Mitglieder, keineswegs nur Pfarrer, sondern Diakone, Gemeindehelferinnen, Kaufmänner, Landwirte, Prädikanten, Pfarrverwalter und andere. In den großen lutherischen Volkskirchen, dem „intakten“ Kern der kirchlichen Mitte, unterblieb in der Regel diese Art der solidarischen, namentlichen Fürbitte.



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Impressum und Datenschutzerklärung  http://bs.cyty.com/kirche-von-unten/archiv/gesch/Hitlerbild/, Stand: Dezember 2020, dk