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[Kirche von Unten]

Zum Hitlerbild in der Deutschen Evangelischen Kirche

und

Ein Beitrag zur Kirchlichen Mitte

von Dietrich Kuessner

(Download des Buches einschließlich Anmerkungen als pdf hier)




Hitler - Eine Klarstellung
Hitler hat die evangelische Kirche zeit seines Lebens nie verstanden, weder ihre äußere föderale Struktur, geschweige denn ihr inneres Leben. Er hat sie auch nie erlebt. Es ist nicht bekannt, dass Hitler während seiner Regierungszeit auch nur einmal von sich aus einen evangelischen Gemeindegottesdienst besucht hätte. Dazu hatte er keinen Anlass. Hitler war in einem katholischen Milieu aufgewachsen und blieb auch als Kanzler offiziell katholisches Kirchenmitglied. Hitler war Anfang Februar 1933 anlässlich einer Trauerfeier für zwei aufgebahrte Nationalsozialisten im Berliner Dom, aber das war kein Gottesdienst, sondern eine parteiliche Trauerdemonstration. Hitler trug Parteiuniform. Hitler war im April 1935 wieder im Berliner Dom anlässlich der Trauung von Hermann Göring. Seine Frau Emmy hatte auf einer kirchlichen Feier bestanden. Hitler fungierte als Trauzeuge. Reichsbischof Müller hatte die Auflage erhalten, eine sehr kurze Ansprache zu halten. Das war kein Gottesdienst, um eine evangelische Kirche kennenzulernen, ebenso wenig wie die Taufe des Göringkindes Edda im November 1938 im Privatpalast von Göring, wo Hitler das Patenamt übernahm. Ob die Veranstaltung, überhaupt eine gültige kirchliche Taufe im Namen des Dreieinigen Gottes war, kann man bezweifeln. Aber die Fotos von Hitler als glücklichem Patenonkel gingen durch die deutsche Presse und lösten in der Münchner Parteizentrale Kopfschütteln aus. Sie entsprachen so wenig deren Kirchenpolitik und der von Alfred Rosenberg. Anlässlich seines 50. Geburtstages im April 1939 veranstaltete Hitler keinen Festgottesdienst, am Vormittag aber eine militärische Truppenparade.
Hitler hatte im Zuge seiner Kirchenpolitik mehrfach Gelegenheit, mit evangelischen Bischöfen zu konferieren, aber die Begegnungen zeitigten kein bemerkbares Verständnis Hitlers für die evangelische Kirche.

Hitler hatte kein inneres, persönliches Interesse an der evangelischen Kirche, aber ein politisches. Hitlers kirchenpolitisches Ziel war die Schaffung einer zentralen Reichskirche, die er seinem autoritären Hitlerstaat unterordnen wollte. Im Sommer 1933 konnte sich Hitler am Ziel wähnen, als sich die Kirche eine neue Verfassung gab, die sich grundsätzlich von der bestehenden Kirchenverfassung von 1922 unterschied. Die evangelische Kirche in der Weimarer Zeit war in einem ausgewogenen Verhältnis von zentraler und föderaler Struktur verfasst. Die 28 Landeskirchen hatten sich unter sehr schwierigen Bedingungen eine demokratieähnliche Verfassung mit Synoden, Verwaltung und Kirchenleitung gegeben und sich bei Bewahrung ihrer Selbständigkeit zu einem Kirchenbund zusammengeschlossen, in dem ein Kirchenausschuss, ein Kirchensenat und alle drei Jahre ein Kirchentag (eine Art Synode) auf verschiedenen Ebenen für Aussprache und Förderung gemeinsamer Interessen sorgten. Die Verfassung von 1933 zerschlug dieses ausgewogene Gebilde, das sich nur schwer in eine autoritäre Struktur hineinpressen ließ. Paragraf fünf der Verfassung von 1933 lautete: „An der Spitze der Kirche steht der lutherische Reichsbischof.“ Das Verräterische dieses Artikels sind die ersten drei Wörter: „An der Spitze“. Eben eine solche Spitze hatte die Weimarer Verfassung vermieden. Die Kirche hat wesensmäßig als „Gemeinschaft der Heiligen“ keine Spitze. Sie ist eine vielgestaltige Gemeinschaft untereinander gleichberechtigter Mitglieder, die eine brüderliche, verständnisvolle Leitung erträgt, aber nie und nimmer einen Reichsbischof. Diese Verfassung erschien in allen landeskirchlichen Amtsblättern mit den Unterschriften aller Bischöfe, voran der Bischöfe Marahrens, Wurm und Meiser und Hitler als Kanzler und Reichsinnenminister Frick. Es ist ein makabres Dokument, zumal die drei genannten Bischöfe 1945 in Treysa um eine neue Kirchenordnung rangen, ohne sich zu diesem beschämenden Dokument zu äußern.

Der von Hitler auserkorene Reichsbischof Ludwig Müller, erwies sich zur Durchsetzung der Hitlerischen zentralisierenden Kirchenpolitik als unfähig. Er wurde zwar von der nazitreuen Glaubensbewegung Deutsche Christen unterstützt, aber diese hatte in einer Berliner Massenversammlung im November 1933 das Altes Testament verhöhnt und damit viel Unterstützung verloren. Müller legte die Führung der Deutschen Christen nieder. Hitler war nach eigenen Angaben schon 1934 gescheitert, und dann immer wieder. 1935 berief er einen anderen alten Bekannten, den ehemaligen Kreisleiter von Peine, Hanns Kerrl, zum Minister für die kirchlichen Angelegenheiten, der als provisorisches Kirchenleitungsorgan einen Reichskirchenausschuss berief, der aber schon im Februar 1937 wegen Differenzen seine Arbeit niederlegte. Im selben Frühjahr rief Hitler offiziell die Landeskirchen zu Wahlen „in Freiheit“ zu einer Reichssynode auf, aber auch diese Idee verlief im Sande, bevor der Sommer begonnen hatte. Diese vier eigenständigen Anläufe Hitlers zu seiner Kirchenpolitik waren gescheitert. Neue Versuche startete Hitler nicht mehr. Ihm war es auch nicht gelungen, innerhalb der führenden Nazielite eine einheitliche, gemeinsam verfolgte kirchenpolitische Linie durchzusetzen.

Karikatur von Gott gesandt
Diese Karikatur stammt aus dem Berliner 8 Uhr Abendblatt 1931. Anlass war eine Äußerung des Nazisympathisanten Prinz August Wilhelm. Der hatte in einer Veranstaltung erklärt, Hitler sei dem deutschen Volk von Gott gesandt. Das Abendblatt zitiert dazu das Weihnachtslied Luthers „Vom Himmel hoch, da komm ich her.“
Zwei Jahre später war die Bezeichnung „Hitler, der von Gott Gesandte“ keine frivole Trivialität übergeschnappter Deutscher Christen, sondern wurde ernsthaft Jahr für Jahr wiederholt und schließlich auch von Vielen geglaubt.
Dazu diente eine verdrehte Auslegung der Bibelstelle „Jedermann sei untertan der Obrigkeit, denn sie ist von Gott.“ Hitler als von Hindenburg am 30. Januar 1933 ausgewählte Obrigkeit war Kanzler „von Gottes Gnaden“. Der Karikaturist konstruiert eine „Konkurrenz für den Monarchen von Gottes Gnaden“, wie er in kleiner Schrift unter den Liedvers schrieb.


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