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[Kirche von Unten]

Zum Hitlerbild in der Deutschen Evangelischen Kirche

und

Ein Beitrag zur Kirchlichen Mitte

von Dietrich Kuessner

(Download des Buches einschließlich Anmerkungen als pdf hier)



Der dritte Hauptteil
Das Erbe der „von Gott gewollten Obrigkeit“ und kein Neuanfang


Die Kriegserklärung an die USA im Dezember 1941 bedeutete für das Deutsche Reich eine endlose Verlängerung des Krieges. Krieg war die Lebensmitte Hitlers, die er seit Regierungsantritt zur Lebensmitte der deutschen Bevölkerung zu machen versuchte. Hitler folgte weniger  rationalen Überlegungen, sondern  mehr und mehr den Impulsen seiner Instinkte und Sehnsüchte. Der Krieg als Lebensmitte verband sich mit einer tiefen Todessehnsucht. Schon früh lebte in ihm seit den zwanziger Jahren eine Todessehnsucht, die ihn die Nähe des Selbstmordes führte. Das Scheitern eines „Blitzkrieges“ gegen die Sowjetunion 1941 legte ihm die Möglichkeit einer Niederlage nahe, der er mit der Kriegserklärung an die USA einen „heldenhaften“ Ausgang verleihen mochte, ganz ähnlich dem Befehl der Seekriegsleitung im Herbst 1918 zu einer Schlacht gegen England mit „heroischem“ Untergang. Das ab 1944 unaufhaltsame Herannahen der alliierten und sowjetischen Truppen konnte den Eindruck einer Niederlage immer größer werden lassen. Das politische Ziel Hitlers im Kriege war die Vernichtung, ein Lieblingswort im Wahlkampf 1933, die Vernichtung des innenpolitischen Gegners, nicht die Wiederherstellung des Friedens, oder gar die Aussöhnung mit dem Gegner. 1945 hatten noch keine feindlichen Truppen das Gebiet des Großdeutschen Reiches betreten, aber der Traum eines vom Nationalsozialismus beherrschten Europas war  vorbei.

Im Jahr 1945  offenbart sich das vollständige militärische Scheitern der Hitlerherrschaft, und Hitler sog viele Teile des Militärs und der zivilen Bevölkerung nun in seinen tödlichen Vernichtungsstrudel mit hinein. Die bereits verlorenen und für eine Verteidigung nutzlosen Großstädte erklärte er zu „Festungen“, so Königsberg, Breslau, Nürnberg, Kassel u.a., die in Wahrheit Todesfallen mit vermeintlich „heroischem“ Ausgang waren. Auch Berlin wurde im April 1945 zur Festung erklärt, auf dessen „Schanzen“ Hitler gefallen wäre, so die verlogene Radionachricht von seinem Selbstmord Hitlers im Frühjahr. Er hinterließ nicht nur eine vor dem Bunker unbestattete, verkohlte Leiche, deren Reste nach Moskau verbracht wurden, sondern ein „Deutschland“, dessen Name auf Jahre hinaus mit abstoßender Schande bedeckt  war und Fragen an die Nachwirkungen seiner Politik auch in der evangelische Kirche stellte.

Religiöse Vokabeln in den letzten Reden Hitlers
Wie üblich verfasste Hitler auch im 13. Regierungsjahr 1945 einen Neujahrsaufruf an die Bevölkerung. Er beschloss ihn mit einer Erinnerung an das Attentat vom 20. Juli: „Ich kann diesen Appell nicht schließen, ohne dem Herrgott zu danken für die Hilfe, die er Führung und Volk immer wieder hat finden lassen, sowie für die Kraft, die er uns gegeben hat, stärker zu sein als die Not und Gefahr. Wenn ich ihm dabei auch danke für meine eigene Rettung, dann nur, weil ich glücklich bin, mein Leben damit weiter in den Dienst meines Volkes stellen zu können.“   

Es blieb aber nicht beim Dank, sondern Hitler nahm die Rolle eines stellvertretenden Sprechers der deutschen Bevölkerung vor Gott ein.  „In dieser Stunde“, fuhr Hitler fort,  „will ich daher als Sprecher Großdeutschlands gegenüber dem Allmächtigen das feierliche Gelöbnis ablegen, dass wir treu und unerschütterlich unsere Pflicht auch im neuen Jahr erfüllen werden, des felsenfesten Glaubens, dass die Stunde kommt, in der sich der Sieg endgültig dem zuneigen wird, der seiner am würdigten ist: dem Großdeutschen Reiche!“. Es ist eine Art priesterliche Mittlerrolle, in der Hitler für alle Deutschen ein Gelöbnis der treuen Pflichterfüllung vor Gott ablegte und sie mit der Hoffnung einer Siegesstunde verband.
Die Neujahrsansprache wurde vom Rundfunk übertragen.

Auch den überlangen Neujahrsbefehl an die Soldaten beschloss Hitler religiös und machte die Soldaten zu Zeugen dafür, dass Gott  diese Soldatengeneration mit seinem Segen beglücken werde, nämlich mit dem Sieg. „Der Allmächtige, der unser Volk in seinem bisherigen Lebenskampf geleitet und nach  Verdienst gewogen, belohnt und verurteilt hat, soll dieses Mal eine Generation vorfinden, die seines Segens würdig ist. Die unvergänglichen Zeugen dafür aber seid ihr, meine deutschen Soldaten, in den vergangenen Jahren gewesen, ihr werdet das erst recht in dem kommenden Jahr sein.“.

Wieder schimmert mit der Wortwahl „gewogen“, „belohnt“ das Gerichtsmotiv auf, das Hitler in den  letzten Jahren mehrfach bemüht hatte. Hitler verschwieg nicht die schwere Belastung der deutschen Bevölkerung, Er wollte Zuversicht und Siegesglauben ausstrahlen und erwartete, dass „ihr Soldaten mehr noch als bisher gerade im sechsten Jahre des Kampfes auf Leben und Tod  eure Pflicht erfüllt.“

In seiner letzten Rede an die deutsche Bevölkerung anlässlich der Wiederkehr seines Regierungsantrittes am 30. Januar, einem hervorragenden Termin im braunen Festkalender, nahm Hitler  dreimal Zuflucht zu religiös-christlichen Redenarten, um die für ihn  zwangläufige Aussicht auf Sieg und Frieden zu bekräftigen. Deutschland sei von Gott geschaffen. Er werde sein Werk nicht untergehen lassen. „Der Allmächtige hat unser Volk geschaffen. Indem wir seine Existenz verteidigen, verteidigen wir sein Werk.“ Das glücklich überstandene Attentat am 20. Juli deutete Hitler erneut als einen religiösen Hinweis  zur Fortsetzung seiner Politik, „Dass mich der Allmächtige an diesem Tag beschützte, sehe ich als eine Bekräftigung des mir erteilten Auftrages an“.

Hitler bestätigte mit dieser Redewendung, wozu ihn Bischof Marahrens beglückwünscht hatte: Die Hand Gottes habe Hitler vor dem Tod bewahrt. Er, Hitler, sei „der heiligen Überzeugung, dass am Ende  der Allmächtige den nicht verlassen wird, der in einem ganzen Leben nichts anderes wollte, als sein Volk vor dem Schicksal zu retten, das es seiner Zahl nach, gar seiner Bedeutung nach jemals verdient hat.“. Zum Schluss trat Hitler mit allen Schichten der deutschen Bevölkerung, besonders der Jugend, vor Gott mit der Bitte um Gnade und  Segen. „Indem wir eine so verschworene Gemeinschaft bilden,  können wir mit Recht vor den Allmächtigen treten und ihn um seine Gnade und seinen Segen bitten.“

Die Rede wurde in ganz Deutschland übertragen, auch auf dem mit Kriegsgerät, Verwundeten und Flüchtlingen überfüllten Passagierschiff „Gustloff“, dem Vorzeige-Luxusdampfer der „Kraft-durch-Freude“- Organisation zur Erholung der nazistischen Volksgemeinschaft. Das Schiff war an diesem Tag auf der Fahrt von Gotenhafen nach Lübeck, wurde von Torpedos getroffen und sank noch während der Rede, 1.252 Passagiere wurden gerettet, 9.009  ertranken. 10 Tage später wurde das Schiff „Steuben“ getroffen. Von den 4.000 Passagieren wurden 660 gerettet. Das Schiff „Goya“ sank mit 9.000 Passagieren. Allein im Frühjahr 1945 kamen 25.000 Menschen auf diese gewaltsame Weise durch die Kriegspolitik des „christlichen Staatsmannes“ in der Ostsee ums Leben.

Die Rhetorik Hitlers bot den Bischöfen keinen Anlass, sich von ihrem gewohnten Hitlerbild zu trennen.



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Impressum und Datenschutzerklärung  http://bs.cyty.com/kirche-von-unten/archiv/gesch/Hitlerbild/, Stand: Dezember 2020, dk