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[Kirche von Unten]

Zum Hitlerbild in der Deutschen Evangelischen Kirche

und

Ein Beitrag zur Kirchlichen Mitte

von Dietrich Kuessner

(Download des Buches einschließlich Anmerkungen als pdf hier)



Karikatur Schlangenbeschwörung Hitlers
Nach dem Austritt des Deutschen Reiches aus dem Völkerbund im Oktober 1933 galt die Außenpolitik Hitlers als unberechenbar. Das machte Angst. Alliierte Politiker, amerikanische und englische Politiker blasen beruhigende Töne auf ihrer Flöte, um die Schlange Hitler zu beruhigen.
in: Review of Reviews New York, Dezember 1933.


Auf dem Weg zu einem christlichen Nazideutschland
Am Jahresende konnte sich die deutsche Bevölkerung schon auf dem Weg zu einem christlichen Nazi-Deutschland wähnen, denn es waren im Laufe des Jahres  1933: 324.451 Personen in die Kirche eingetreten. Das war die höchste Eintrittsziffer seit 1900.  Die Eintritte hielten auch in den nächsten Jahren unverhältnismäßig hoch an.  Die Zahl der Austritte nahm entsprechend ab. 1933, 1934, 1935 überstiegen die Eintritte die Austritte. Die Kircheneintritte entsprachen der volkstümlichen Stimmung: „Hitler ist für die Kirche – dann müssen wir als gute Nationalsozialisten auch für die Kirche sein.“

Der erste Eindruck ist der nachhaltigste und bleibende, sagt man. Das könnte am Ende des Jahres 1933 für viele Gemeindemitglieder und auch leitende Kirchenmänner bei ihrem Eindruck von Adolf Hitler zutreffen, zumal es ein überraschender war. Hitler, der bis 1932 von vielen vor allem als stimmlich unsympathisch gutturaler Schreihals und Parteiführer empfunden wurde, überraschte mit seinem ersten „Aufruf an das deutsche Volk“ am 1. Februar  stimmlich und inhaltlich als seriöser Staatsmann, und dazu mit einem für gläubige evangelische  Christen unüberhörbaren traditionell christlichen Vokabular. Das kam völlig unerwartet. So hatte vorher noch kein Kanzler gesprochen. Von diesem ersten Augenblick an hatte sich eine Art Verbindung eingefädelt, an die im Laufe der nächsten Jahre von Hitler immer wieder erinnert und von den Kirchenmitgliedern in den folgenden Jahren weitergezogen und somit vertieft und von sehr vielen nicht wieder ausgefädelt wurde und oft auch nicht ausgefädelt werden konnte.

Diesen Weg des Abschieds aus der Weimarer Demokratie in ein autoritäres christliches Nazideutschland gingen nicht alle mit. Bis zum Jahresende hatte sich ein spürbarer Fortzug von Wissenschaftlern und Künstlern in die demokratischen Nachbarländer England und die USA vollzogen. Der Hohn der Nazipropaganda auf die „Intellektuellen“ war täglich in ihrer Presse zu lesen. Zu ihnen gehörten 313 ordentliche Professoren, 399 außerordentliche Professoren und 322 Privatdozenten – insgesamt 1.684 Wissenschaftler, die aus dem Universitätsbetrieb entlassen worden waren. Es emigrierten außerdem  Bert Brecht, Ernst Cassirer, Albert Einstein, George Grosz, Wassily Kandinsky, Paul Klee, Thomas Mann, Carl Mennicke, Max Reinhardt, Karl Ludwig Schmidt, Bruno Walter, Alfred Weber.


Im Jahr 1934 erneuert Hitler sein Angebot für eine Zusammenarbeit mit der Kirche.

Nach dem für Hitler ohne außenpolitische Komplikationen verlaufenen Austritt aus dem Völkerbund hatte sich die Lage für den Nationalsozialismus in Deutschland zunehmend stabilisiert. Auch das Hitlerbild hatte sich gefestigt. Die süddeutschen Lutheraner hatten bemängelt, dass in der  Barmer Theologischen Erklärung vom Mai 1934 von zu viel Abgrenzung gegen die Deutschen Christen und von zu wenig Hinwendung zur nationalsozialistischen Bewegung die Rede war. Im Ansbacher Ratschlag nahmen sie eine Korrektur vor und erklärten: „Als Christen ehren wir mit Dank gegen Gott jede Ordnung, also auch jede Obrigkeit,  selbst in der Entstellung, als Werkzeug göttlicher Entfaltung, aber wir unterscheiden auch als Christen gütige und wunderliche Herren, gesunde und entstellte Ordnungen. In dieser Erkenntnis danken wir als glaubende Christen Gott dem Herrn, dass Er unserem Volke in seiner Not den Führer als „frommen und getreuen Oberherren“ geschenkt hat und in der nationalsozialistischen Staatsordnung „gut Regiment“, ein Regiment der „Zucht und Ehre“, bereiten will.“ Hitler als „frommen Oberherren“ zu bezeichnen, ist der Erklärung Martin Luthers zur vierten Bitte des Vaterunsers entnommen. So zeichnete die Kirche ein Bild vom frommen Hitler, dessen „Regiment“, sprich Regierung, für Zucht und Ordnung im Volke sorgt. Dieses Bild wurde beim Putsch Hitlers gegen Bürgertum und SA anschaulich.

Im Frühsommer 1934 gab es aber zwischen den führenden  Nazieliten unterschiedliche Vorstellungen über den weiteren Weg. Vizekanzler von Papen wünschte einen „anständigen“, national-konservativ nahen Nationalsozialismus, Stabschef Röhm und seine SA hingegen einen eher grobschlächtigen unter dem Stichwort „Zweite Revolution“, die Reichswehr fürchtete ein Erstarken der SA, Himmler wünschte mehr Einfluss für seine SS, Göring  hielt einen Schlag gegen das nazidistanzierte Bürgertum für überfällig.



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