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[Kirche von Unten]

Zum Hitlerbild in der Deutschen Evangelischen Kirche

und

Ein Beitrag zur Kirchlichen Mitte

von Dietrich Kuessner

(Download des Buches einschließlich Anmerkungen als pdf hier)




Der Putsch Hitlers gegen das Bürgertum und die SA im Juni 1934.
Die deutsche Öffentlichkeit war echt überrascht, als sie in ihrer Zeitung am Sonntag morgen, dem 1. Juli 1934, las: „Röhm-Komplott niedergeschlagen. Rücksichtsloses Vorgehen des Führers gegen die Rebellen.“ Auf der nächsten Seite wurde über die standrechtliche Erschießung von sechs namentlich genannten hohen SA Führern berichtet. Der Völkische  Beobachter titelte: „Die Säuberungsaktion des Führers im ganzen Reich durchgeführt. Sieben SA Führer erschossen. Der Führer nach Berlin zurückgekehrt.“ Zu den „Verschwörern“ sollte der Vorgänger Hitlers im Kanzleramt, General Schleicher, gehören, auch seine Frau sei bei der Aktion niedergeschossen worden. Enge Mitarbeiter von Vizekanzler Papen sollten zu der gegen Hitler revoltierenden Gruppe gehören. Zwei waren erschossen worden. Die Verschwörergruppe hätte Sympathisanten im ganzen Reich, bis nach Schlesien und Süddeutschland.  In Bad Wiessee hätten sich die SA Führer um ihren Stabschef Röhm verschwörerisch versammelt.

Hitler war mit anderen Begleitern persönlich nach Wiessee gefahren, mit gezogener Pistole in der Morgenstunde in das Schlafzimmer von Ernst Röhm und einiger anderer SA Führer eingedrungen, und hatte sie verhaftet. Die SA Führer, die von nichts ahnten und ihre Verhaftung  für einen Irrtum hielten, wurden sofort in einem Münchner Gefängnis erschossen. Durch das Reich ging eine Verhaftungswelle. Göring nannte die Verhaftung von über 1124 Personen.

Die Verhaftung zielte auf SA-Mitglieder sowie auf Repräsentanten des Bürgertums, die sich der bedingungslosen Gefolgschaft des Nazisystems noch verweigerten. Dazu hatten Göring und Himmler, die eigentlichen Initiatoren der Mordserie, schon seit Monaten schwarze Listen zusammengestellt, die auch bis zum letzten Augenblick verändert wurden.  

Der mächtigste Mann des evangelischen Pressewesens, August Hinderer, war auch auf eine Abschussliste geraten und saß bereits im Berliner Columbiahaus, einem wilden KZ. Nur einem nachdrücklichen Protestieren der Belegschaft des evangelischen Pressedienstes war es zu verdanken, dass Hinderer in letzter Sekunde freigelassen wurde. Dies vereinzelte Beispiel verdeutlicht, wie viele Menschen auch außerhalb der SA in Berlin von dieser Mordserie betroffen waren und Bescheid wussten.

Es fiel auf, dass die Erschießungen ohne Gerichtsurteil und ohne ein Verfahren erfolgt waren.

Die ausländische Presse berichtete ausführlich, auch von der abstoßenden Grausamkeit, mit der die Morde verübt worden waren.

Für die breite deutsche Öffentlichkeit wurde das Hitlerbild ergänzt durch das des entschlossenen Kriegshelden, der persönlich tapfer eine Meuterei niedergeschlagen und außerdem einen moralischen Sumpf ausgetrocknet habe. Um den Eindruck einer Säuberung zu unterstreichen, hob Goebbels in einem Bericht hervor, dass im Bett eines SA Führers ein junger Mann ertappt worden sei. Was für Parteiinsider längst bekannt war, dass Röhm und sein Umkreis schwule Praktiken bevorzugten, wurde durch Goebbels nun als widerliches, ekelerregendes Verhalten öffentlich gemacht. Hitler also der Saubermann der Nation, den er schon bei seiner Wahlreise 1933 immer wieder betont hatte. Er werde „die Fäulnis in Kultur und öffentlichem Leben radikal“ beseitigen. Das Nazideutschland sollte als christliches Deutschland einen sauberen Eindruck hinterlassen.

Als der Zeitungsbericht am Sonntag erschien, sollte die blutige Niederschlagung der Revolte gegen Hitler schon erfolgreich beendet gewesen sein. Aber es sickerten immer neue Einzelheiten der schauerlichen Sauberkeitsaktion Hitlers durch, besonders durch die an jedem Bahnhofskiosk erhältliche Auslandspresse. Offenbar beteiligte sich ein beträchtlicher Teil der deutschen Bevölkerung am Aufstöbern von „Verschwörern“, sodass im Völkischen Beobachter auf der Titelseite am 19. Juli die Balkenüberschrift erschien: „Aufruf und scharfer Erlass Lutzes gegen das Denunziantentum“. Aus zahlreichen Zuschriften habe er, Viktor Lutze, den Hitler sofort als Nachfolger von Röhm bestimmt hatte, ersehen, dass innerhalb des deutschen Volkes eine ganze Reihe von Menschen sich bemüßigt hielten, die Ehre der anständigen SA-Führer anzugreifen.“ Die Mordserie Görings und Himmlers hatte die Atmosphäre im Reich verändert.

Hitler wartete die Reaktion in der Öffentlichkeit ab und hielt erst am 13. Juli eine sehr lange Rechenschaftsrede vor dem „Reichstag“. Die Krolloper und die Gänge im Sitzungssaal waren von uniformierten und bewaffneten SS - Männern gegen mögliche militärische Gegenreaktionen gesichert. Die Angst ging auch in der Nazielite um.

Karikatur Ehrlicher Beistand
Göring hilft dem altersschwachen Reichspräsidenten Hindenburg beim Hitlergruß. Hitler stemmt seinen rechten Stiefel auf einen SA Helm mit der Aufschrift „Intrige.“ Hindenburg hatte nach dem Putsch Hitlers gegen die SA im Sommer 1934 auf dessen Wunsch eine Ehrenerklärung für Hitler abgegeben und die Morde der Nazis abgesegnet. Der Karikaturist entlarvt die Erklärung als durchschaubares Manöver Hitlers.
Karikatur in: Punch, London, 11. Juli 1934.



Stimmen aus der Kirche zum Hitlerputsch gegen Bürgertum und SA.
Wie reagierten die Kirchen auf die Nachrichten? Hitler hatte sich vom Reichspräsidenten Hindenburg eine Ehrenerklärung besorgt und am 3. Juli im Völkischen Beobachter veröffentlicht. Darin hieß es in völliger Verkehrung des Sachverhaltes, Hitler habe durch sein entschlossenes Zugreifen und den tapferen Einsatz seiner eigenen Person alle hochverräterischen Umtriebe im Keim erstickt. „Sie haben das deutsche Volk aus einer schweren Gefahr gerettet. Hierfür spreche ich Ihnen meinen tiefempfundenen Dank und meine aufrichtige Anerkennung  aus.“ Dieser Anerkennung des in der Kirche hochangesehenen Staatsoberhauptes konnte sich die Kirche umgehend anschließen. Hindenburgs Erklärung machte eigene Aufklärungsabsichten überflüssig, obwohl am Beispiel Hinderer ganz offensichtlich war, dass die parteioffiziöse Version falsch war. Das Kabinett hatte das Vorgehen Hitlers als Staatsnotstand legitimiert. Der Völkische Beobachter vom 4. Juli titelte: „Das Reichskabinett dankt dem Führer und gelobt treue Gefolgschaft.“ Als einem Wort der Obrigkeit konnten sich die Kirchenleitungen diesem Entschluss des Kabinetts, das den Befehlsnotstand festgestellt hatte, unterordnen und den schauerlichen Mordnächten zustimmen.

Schon am Freitag  der Mordwoche, dem 6. Juli, berichtete die Allgemeine ev.-luth. Kirchenzeitung ziemlich ausführlich über die Vorgänge. „Ein Gewittersturm ist über Deutschland hinweggebraust mit einer Plötzlichkeit und Gewalt, wie wir Ähnliches noch niemals auch nur annähernd erlebt haben. In uns allen zittern noch die Ereignisse dieses 30. Juni nach, der einen Markstein in der Geschichte des neuen Deutschland bildet. Wie mit glühendem Griffel sind uns die dramatischen Vorgänge von München und Wiessee in Herz und Erinnerung gegraben.“ Das Danktelegramm Hindenburgs an Hitler sei dem deutschen Volk aus dem Herzen gesprochen und habe ausgedrückt, was „Millionen deutscher Herzen in diesen Tagen bis ins Tiefste bewegte.“.... „Wieder einmal sehen wir uns Ereignissen gegenüber, in denen man den Finger Gottes besonders deutlich zu spüren meint.“

Der Bericht spricht auch die Rivalitäten zwischen SA und Reichswehr als eine der Quellen der traurigen Ereignisse an. Hitler hatte sofort einen neuen Stabschef der SA berufen und 10 Punkte als Richtlinien für die SA veröffentlicht, von denen der Bericht die Forderung nach Einfachheit der Lebenshaltung sowie die Kampfansage gegen alles unsittliche und unwürdige Benehmen  hervorhebt und hinzufügt: „Ich möchte insbesondere, dass jede Mutter ihren Sohn in SA, Partei oder Hitlerjugend geben kann ohne Furcht, er könnte dort sittlich oder moralisch verdorben werden.“

„Dem Dank gegen den Führer haben wir aus bewegten Herzen Ausdruck gegeben. Nun wollen und dürfen wir als Christen darüber nicht den Dank  gegen Gott vergessen, der uns sichtlich bewahrte.“  Der Bericht der AELKZ machte sich die irreführende Parteierzählung kritiklos zu eigen, obwohl die ausländische Presse mit Nachdruck und Ausdauer sich an der Aufdeckung der wahren Sachverhalte beteiligte.

Kein Wort verlor der Verfasser über die hohen Opfer der betroffenen Familien, die zeitversetzt nun ihre Väter und Söhne wohl auch unter Beteiligung der Kirche zu Grabe zu tragen hatten.

Die andere reichsweite Kirchenzeitung, das Evangelische Deutschland, liest sich reservierter:
Der 30. 6. werde „ein weiterer Gedenktag in der deutschen Geschichte“ sein. „Wann hätten wir je deutlicher Verantwortung und Gefahr des zur Führung Berufenen gespürt – wann aber auch klarer die Schicksalsverbundenheit von Führer und Volk?“ „Wenn der schicksalsschwere Tag alle tragenden und treibenden Kräfte in zuchtvollem Gehorsam und schlichter Einfachheit erneuert – dann wird der 30. Juni ein Tag des Segens sein“. „Aus allen Kreisen des Volkes sind dem Führer Bezeugungen der Treue und des Gedenkens, des Dankes und des Gelöbnisses zugegangen; auch kirchliche Stellen haben aufs tiefste bewegt dem Führer alle Kräfte für das Wohl des Reiches einzusetzen, neu gelobt.“

Der Bericht sieht von einer eigenen Stellungnahme ab. Ihr Herausgeber war der in letzter Minute von der Todesliste gestrichene August Hinderer, aber er unterstreicht das Gelöbnis auch kirchlicher Stellen gegenüber Hitler.

Die Koalition „Naziregierung und evangelische Kirche“ wurde besonders anschaulich in den Predigten, die auf den Putsch Hitlers folgten. Ich nenne nur zwei Beispiele. Der Braunschweiger Pfarrer Ernst Brutzer lud zu einem Sondergottesdienst am Dienstag, dem 3. Juli, in die Magnikirche ein. Brutzers Ansprache legte nicht das verlesene Bibelwort „Jedermann sei untertan der Obrigkeit..“ (Röm 13) aus, sondern kreiste allein um die Person Hitlers. Hitler sei der von Gott bestellte Wächter, der über dem Vaterland wache. Er gebe Gott immer wieder die Ehre. Ihm habe Gott beigestanden, ihm Entschluss und Tatkraft verliehen. „Wir danken es in diesem Hause, das uns der Gegenwart Gottes bewusst werden lässt, unserem Führer, dass er sich unter Gott beugt, und in der Vollmacht, die er ihm gegeben hat, im höchsten Verantwortungsbewusstsein vor Gott und vor dem Volk, dessen Schicksal ihm anvertraut ist, getan hat, was er tun musste, ohne Rücksicht auf die Person, um unser Volk vor dem Verderben zu retten und zu bewahren vor fremder Mächte Einmischung in unsere innere Angelegenheiten, die wir Deutschen nach Gottes Willen selbst zu ordnen und zu leiten haben“.

Im Rückblick auf die vergangenen 16 Monate stellte Brutzer fest. „Wir freuten uns von Herzen in der Erkenntnis, dass Gerechtigkeit unser Land zu erhöhen begann und dass die volksverderblichen Mächte der Unordnung, Zuchtlosigkeit, des Liberalismus, der Sünde immer mehr an Boden  verloren.

Wie Jesus bei der Reinigung des Tempels die Geißel geschwungen habe, so „hat Jesus wieder einmal durch die Hand Adolf Hitlers seine Geißel geschwungen auch über unser deutsches Land“. Die Ansprache klang aus in der Freude, dass „in diesem Eingriff Gottes durch unsern Kanzler eine Freundlichkeit und Güte Gottes zum Besten unseres Volkes und Vaterlandes“ sichtbar werde.

Der 61 jährige Ernst Brutzer war Balte, zunächst bei der Leipziger Mission  tätig gewesen, und seit 1924 Pfarrer an der Magnikirche. Als Balte und Missionsmann brachte er ein geschärftes Gespür für nationale Fragen mit, das sich allerdings  auch leicht überreizen konnte. Er hatte sich den Deutschen Christen angeschlossen.

Brutzer vertrat keine Einzelmeinung, denn im Braunschweigischen Volksblatt war  am 8. Juli zu lesen: „Gott hat unser Volk vor namenlosem Leid und unausdenkbarer Zerrüttung bewahrt. Er hat die Gewissen angeschlagen. Adolf Hitler ist entschlossen, mit unnachsichtiger Schärfe in allen Organisationen der Partei aufzuräumen. Deutschland ist im letzten Augenblick von einem unabsehbaren Chaos zurückgerissen worden. Hitler ist zum zweiten Mal Retter unsres Volkes geworden“.

An demselben Sonntag predigte in der Martinikirche Pfarrer Grüner anhand von Matthäus 18,1-10 über „Wahre Größe“. „Es wird wohl kaum einen hier unter uns geben, der nicht noch heute bis ins Innerste bewegt, den Vorgängen gefolgt wäre, die in Berlin, München und in Bad Wiessee geschehen. Uns allen entringt sich ein Befreiungsseufzer aus dankbewegter tiefer Brust, dass der Führer mit einem persönlichen Mut ohnegleichen Deutschland zum zweiten Mal gerettet hat aus tiefer Schmach und größter Not. In die Annalen deutscher Geschichte wird der 30. Juni 1934 neben dem 30. Januar 1933 für ewige Zeiten eingegraben sein als neues Flurzeichen der Welt. Der Herr hat Großes an uns getan – nun danket alle Gott!“

Wie Jesus sei aber Hitler nicht nur Erlöser und Retter, sondern auch Richter. „Bisher hatte das deutsche Volk in Hitler den Befreier aus nationaler Schande und sozialer Not gesehen; es hatte ihn erkannt als den Erbauer des Dritten Reiches und schenkte ihm darum sein Herz und seinen Glauben. Am 30. Juni wurde er zum Vollstrecker eines Gottesgerichtes – weil er Vollmacht von Gott hatte. Den Glauben an seine Sendung, den einst schon Luther hatte; nicht nur vor Kaiser und Reich, Papst und Kirche zu treten, sondern auch in das aufrührerische Wittenberg zu gehen, als verbrecherische Horden sein Werk zu zerstören drohten, - diesen Glauben hat auch Hitler, und darum hat er im Namen und im Auftrag eines Höheren handeln und siegen können. Fragst du, woher diese Männer solchen unerhörten Mannesmut hernehmen, so gibt die Antwort unser Text im 3. und 4. Verse: Es ist das kindliche, einfache unkomplizierte Gemüt, der kindliche Glaube, der Berge versetzen kann. Darum ist er stark und der Größte im Reich. Und die Vorsehung hält ihre Hände über ihm und segnet ihn. Nun danket alle Gott.“ Grüner deutete die zahlreichen wilden Hinrichtungen als „Gottesgericht“ und nahm vorweg, was Hitler dann in seiner Reichstagsrede von 13. Juli verkündete, nämlich dass er oberster Richter des Dritten Reiches sei.

Die zwei Predigten stammten von überzeugten Deutschen Christen. Charakteristisch ist eine völlig unkritische Beurteilung der Verbrechen Hitlers und eine persönliche Bindung an die Person Hitlers. Sie überboten die propagandistische Berichterstattung, indem sie die Person Hitler noch religiös überhöhten, und von der Hand Gottes sprachen, die am Vorgehen Hitlers anschaulich werde. „Gott war am Werke“, war der einheitliche Tenor, und zwar rettend.

Am Sonntag nach der Rede Hitlers vor den Reichstagsabgeordneten predigte Pastor Alfred Goetze in der Braunschweiger Paulikirche unter dem Bibelwort: „Ihr gedachtet`s böse mit mir zu machen; aber Gott gedachte es gut zu machen, dass er täte, wie es jetzt am Tage ist zu erhalten viel Volks“ (1. Mose 50,20). Goetze gehörte zum Pfarrernotbund, also zur Bekennenden Kirche. Auch Pfarrer Goetze verstand, wie schon der gewählte Bibeltext verrät, den Putsch Hitlers als ein von Gott gelenktes Geschehen. „Unter dem unmittelbaren Eindruck der Sitzung des deutschen Reichstages muss diese Betrachtung geschrieben werden... Wenn wir, wenn unser deutsches Volk in diesen letzten Junitagen in Aufstand, Blutvergießen, ein entsetzliches Morden zwischen Volksbrüdern, wie in einen Strudel hineingeraten wären?! Wenn die Verräter und Verführer triumphiert hätten, der Führer unseres neugeeinten Volkes ihr Opfer geworden wäre?! Die Nacht des Erzitterns vor solchen Möglichkeiten ist gewichen, ein neuer Morgen ist angebrochen. Deutschland faltet in tiefer Ergriffenheit und Herzensbewegung die Hände: Ihr gedachtet`s böse mit mir zu machen; aber Gott gedachte es gut zu machen..“ Goetze übernahm unkritisch und ohne Rückfragen die Version Hitlers und ließ keinen Unterschied zu den deutsch-christlichen Predigerbrüdern erkennen.

Die drei Predigten, die aus unterschiedlichen theologischen Lagern kamen, waren sich einig in der engen Bindung an Hitler und in der religiösen Überhöhung der Mordaktion. Dazu missbrauchten sie Bibeltexte, die ihrerseits nun nazifiziert wurden. An der Mordaktion waren viele hundert Täter beteiligt, die sich bedenkenlos und kaltblütig am Verhaften, Töten, Verstümmeln beteiligten und mit dieser seelischen Verstörung wieder nach Hause gingen und als Familienväter und Ehemänner ihre alltäglichen Rollen einnahmen. Hitler, Göring und Himmler hatten eine Gruppenpsychose erzeugt.

Theologisch befanden sich Kirche und Pfarrerschaft im Zustand einer Art Verstockung. In ihren Augen waren die Ermordeten Feinde des Nazistaates und Verächter des Führers.

Der Völkische Beobachter, die offizielle Parteizeitung, war auch im Sommer 1934 noch nicht so kirchendistanziert, dass sie nicht am Wochenende den Kirchenzettel für Großberlin und Umgebung mit den Gottesdiensten für die katholische und evangelische Kirche angab, bei den evangelischen Gottesdiensten auch mit Nennung des Predigers. So wissen wir, wer am 8. Juli 1934 gepredigt hat, und auf die Ereignisse der vergangenen Woche Bezug nehmen konnte. Der Bericht in der AELKZ nannte schon  die Bausteine für eine Predigt: 1.die Niederschlagung der reichsweiten Meuterei „ein Fingerzeig Gottes“, der Fingerzeig einer Abwehr eines Angriffes auf für ein nazistisch-christliches Deutschland. 2. Die erneute Bewahrung Deutschlands vor einem „Abgrund“, nämlich dem eines Bürgerkrieges zwischen SA und SS und vor einem moralischen Sumpf. 3. Hitler, der Prediger des einfachen Lebensstiles, der seiner SA die Ausrichtung von Festessen und Beteiligung an Festivitäten verbietet. Ein  Prediger klarer Worte: „Ich will Männer als SA Führer sehen und keine widerlichen Affen.“ 4. Ein Gelöbnis der Treue und der Gefolgschaft der Gemeindemitglieder als Predigtschluss.



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Impressum und Datenschutzerklärung  http://bs.cyty.com/kirche-von-unten/archiv/gesch/Hitlerbild/, Stand: Dezember 2020, dk