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[Kirche von Unten]

Zum Hitlerbild in der Deutschen Evangelischen Kirche

und

Ein Beitrag zur Kirchlichen Mitte

von Dietrich Kuessner

(Download des Buches einschließlich Anmerkungen als pdf hier)




Nach dem Tod des Reichspräsidenten Hindenburg am 2. August 1934  erneuerte Hitler sein Angebot an die Kirche zur Mitarbeit.
Ein bedeutsamer Einschnitt in dem Verhältnis der evangelischen Kirche zu Hitler und seiner Regierung war der Tod des 87 jährigen Reichspräsidenten Hindenburg am 2. August 1934. Hindenburg genoss in der evangelischen Kirche ein besonders hohes Ansehen, zu Unrecht. Er war am Ende des 1. Weltkrieges ein Versager und Verlierer. Er trug die Mitverantwortung für die jahrelange drastische Irreführung des Kaisers und der deutschen Öffentlichkeit über den tatsächlichen Frontverlauf; obwohl die Niederlage der deutschen Heere längst absehbar war, schickte er in einer sinnlosen Offensive im Frühsommer 1918 Hunderttausende deutscher Männer und Jugendliche an eine Westfront, die nach zwei Monaten bereits wegen massiver Fehlplanung zusammenbrach. Er war zu feige, die Schuld für die militärische Niederlage einzugestehen und den beim Kaiser  geforderten Waffenstillstand selber zu unterschreiben. Aber wegen seiner ihm zugeschriebenen Verdienste bei den Kämpfen an der Ostfront in den Jahren 1914/15 galt er in den östlichen Provinzialkirchen als Retter des Abendlandes und wurde auf zahlreichen Gemälden so dargestellt. Hindenburg war ein regelmäßiger Kirchgänger und hatte seinen Stammplatz in der Berliner Kirche am Heilsbronnen. Auf dem Sterbebett soll er einen der Umstehenden gemahnt haben: „Sorgen Sie dafür, dass Christus gepredigt wird“. Dieses Zitat sprach sich in Kirchenkreisen rasch herum und wurde zu einem beliebten Thema der kirchlichen volksmissionarischen Arbeit. Hindenburg galt als Garant für den Umbau des Deutschen Reiches zu einem christlichen Staat, zu dem sich Hitler in seiner offiziösen Regierungserklärung im März 1933 bekannt hatte. Würde es eine Veränderung in dieser Absichtserklärung nach dem Tode Hindenburgs geben, zumal Hitler erneut in die Weimarer Verfassung eingriff und das Amt der Reichspräsidenten abschaffte und seine Funktionen selber übernahm?

In einer sog, Volksbefragung am 19. August 1934 sollte sich das deutsche Wählervolk dazu zustimmend äußern. Anders als im November 1933 ging Hitler nicht auf „Wahlreisen“, sondern benutzte einen Staatsbesuch in der Hansestadt Hamburg am 17. August 1934 vor einem geschlossenen repräsentativen Kreis im Hamburger Rathaus zu einer grundsätzlichen Erklärung. Hitler bekannte sich zum „positiven Christentum“ und versprach, „die beiden großen christlichen Konfessionen in ihren Rechten zu schützen, in ihren Lehren vor Eingriffen zu bewahren und in ihren Pflichten den Einklang mit den Auffassungen und Erfordernissen des heutigen Staates herzustellen“. Bischof Franz Tügel saß in der zweiten Reihe unmittelbar hinter den Gauleitern und war tief beeindruckt. Er gab noch zehn Jahre später zu: „Man kann es nicht leugnen, dass wir alle, soweit wir vom Lebensrhythmus der politischen Bewegung ergriffen waren, mit einer starken Gläubigkeit auf die geschichtliche Persönlichkeit schauten, die kein anderer als der Herr der Geschichte selbst unserm Volk zu rechter Stunde, wie es über allen Zweifel erhaben schien, gegeben hatte, um das Reich zu bauen.“ Die Rede Hitlers wurde über den Volksempfänger reichsweit übertragen. Sehr viele hörten zu oder konnten es im Völkischen Beobachter am 18.8.1934 nachlesen, dass Hitlers Regierungspolitik nach seinem öffentlichen Reden sich keineswegs kirchendistanziert präsentierte, sondern seine offiziöse Erklärung vom März 1933 bekräftigte und seine Politik weiterhin in die Nähe der christlichen Kirchen platzierte.

Karikatur Die Wahl des heidnischen Centauren
Mit der August“wahl“ nach dem Tode Hindenburgs 1934 war der Vorgang der allmählichen „Machtergreifung“ Hitlers abgeschlossen. Aus dem zerstörten Dach einer Kirche flattert die Hakenkreuzfahne. Hitler zertrampelt die vor ihm fliehende Bevölkerung. Die Hitlerbewegung ist, so der Mirror, New York am 20. August, heidnisch und keinesfalls christlich. Dieser Blick des Auslands auf das Naziregime hatte vor allem die nordisch-völkische Seite des Nationalsozialismus im Blick, die von Rosenberg vertreten wurde. Hitler aber verspottete Rosenberg und wollte lange Zeit die christlichen Kirchen in seine Politik einbeziehen.


Hitler markierte den frommen Führer ganz unvermutet auch vor einem parteiinternen Publikum. Am 3. Januar 1935 hatte Hitler die gesamte nationalsozialistische Elite in der Staatsoper unter den Linden u.a. zu einer Art Neujahrsempfang versammelt, um Glückwünsche für das neue Jahr entgegenzunehmen und sich ihrer Gefolgschaft zu versichern. In seiner Erwiderung auf die Glückwünsche schloss er seine Ansprache: „Ich möchte diese Glückwünsche Ihnen, die Sie der Vertreter des ganzen deutschen Volkes sind, erwidern und um einen vermehren: Möge der allmächtige Gott unser Volk und Sie alle nicht nur gesund erhalten, sondern möge er uns auch für dieses kommende Jahr einen ganz starken Geist geben, um allen Aufgaben, die an uns herantreten, gerecht zu werden.“ Am 4. Januar 1935 konnten die Leser des Völkischen Beobachters die Selbstverständlichkeit, mit der Hitler öffentlich die Anrufung des „allmächtigen Gottes“ pflegte, zur Kenntnis nehmen. Hitler hatte eigentlich keinen Anlass, vor dieser geschlossenen parteiinternen Gesellschaft die Rolle eines „christlichen Staatsmannes“ zu spielen, aber er tat es ziemlich pointiert.

Hitler markierte den frommen, dem Christentum verbundenen Staatsmann sogar auch als Parteiführer. Diese Rolle nahm er auf dem Reichsparteitag im September 1935 in Nürnberg ein. Die Partei habe weder früher noch heute die Absicht, in Deutschland einen Kampf gegen das Christentum zu führen, sondern im Gegenteil versucht, durch die Zusammenfassung „unmöglicher protestantischer Landeskirchen“ eine große evangelische Reichskirche zu schaffen, ohne sich dabei im geringsten in Bekenntnisfragen einzumischen (...) sie habe sich bemüht, die Organisation der Gottlosenbewegung in Deutschland zu beseitigen, und sie habe auch unser ganzes Leben gesäubert von unzähligen Erscheinungen, deren Bekämpfung ebenso die Aufgabe der christlichen Bekenntnisse ist oder wäre (...) Denn wir sehen die jüdisch-bolschewistische Gefahr, wie sie sich über die heutige Welt erhebt, zu klar, um nicht zu wünschen, alle Kräfte zu ihrer Bekämpfung zusammenzufassen.“

Diese Textpassage war vor allem im Blick auf die zahlreichen anwesenden ausländischen Diplomaten gesagt. In der ausländischen Presse war Hitlers Politik immer wieder als kirchenfeindlich glossiert worden. Diesem Eindruck wollte Hitler als Parteiführer entgegensteuern.

Der Herausgeber der AELKZ, Wilhelm Laible, druckte diese und noch andere die Kirchen betreffenden Textpassagen ausführlich ab. Auf diese konnten sich die Pfarrer im Konfliktfall auf Ortsebene berufen.



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Impressum und Datenschutzerklärung  http://bs.cyty.com/kirche-von-unten/archiv/gesch/Hitlerbild/, Stand: Dezember 2020, dk