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[Kirche von Unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Die Pogromnacht im Land Braunschweig

von Dietrich Kuessner

(Download des gesamten Textes als pdf hier)


Vorwort

Anläßlich der 50. Wiederkehr der sog. „Reichskristallnacht” veranstalteten die Volkshochschule Salzgitter-Lebenstedt in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Stadtgeschichte Salzgitter und der Bildungsvereinigung Arbeit und Leben in der Alten Feuerwache eine Vortragsreihe „Vom Antisemitismus zur Reichspogromnacht.” Aus gleichem Anlaß luden das Kulturamt der Stadt Braunschweig, der Arbeitskreis Holocaust der Evangelischen Studentengemeinde Braunschweig und der Freundeskreis für Braunschweiger Kirchen- und Sozialgeschichte zu zwei Vorträgen in die Paulikirche und den Petrigemeindesaal ein. Dabei wurden folgende Vorträge gehalten: am 2. und 8. November 1988 Dietrich Kuessner über „Pogromnacht im Braunschweiger Land”, am 9. November 1988 Bernhild Vögel über „Antisemitismus und Verfolgung der Juden im Salzgittergebiet”, am 10. November 1988 Ernst August Roloff über „Lebensschicksale jüdischer Mitbürger im Bereich der Pauligemeinde”. Alle Vorträge fanden ein breites Echo.
Der Freundeskreis für Braunschweiger Kirchen- und Sozialgeschichte kommt dem vielfachen Wunsch nach, die Vorträge noch einmal nachlesen zu können. So besteht die Möglichkeit, in Schulen, Arbeitskreisen und Kirchengemeinden den Stoff noch einmal gründlich und kritisch durchzuarbeiten.

Offleben im November 1988
Freundeskreis für Braunschweiger Kirchen- und Sozialgeschichte


Ich halte heute abend keine Gedenkstunde, sondern ich gebe einen Arbeitsbericht über einen kurzen Abschnitt in der Geschichte der jüdischen Gemeinden im Land Braunschweig zur Zeit der 30er Jahre, nämlich über die Pogromnacht vom 9. zum 10. November 1938 und gliedere die Darstellung in 5 Teile:

1. Die Opfer,
2. die Täter,
3. die Zerstörung der Synagogen,
4. die Monate danach: Vernichtung durch Verwaltung,
5. die Rückkehr und einige Nachkriegsprozesse.


1. Die Opfer

Die Terrornacht vom 9. zum 10. November 1938 kommt für die Braunschweiger sicher unerwartet, aber sie sind auf den Terror gut eingestellt worden. Vom 12. Februar bis zum 20. März 1938 erscheint jeden Samstag in der Braunschweiger Tageszeitung, die als typisches ns. Parteiblatt landesweit gelesen wird, die Artikelserie „700 Jahre Juden in Braunschweig” von Karlwalther Rohmann. Sie gibt sich historisch zuverlässig, ist mit vielen Bildern und Dokumenten ausgestattet, inhaltlich jedoch bösartig tendenziös: Schon im Mittelalter waren deutsche Bürger gegen die Juden eingestellt und zwar wegen ihrer jüdischen Wuchergeschäfte. Der deutsche Mensch wird betrogen. Kinder werden geschächtet. Die Juden schwören Meineide in der Synagoge. Juden sind unsauber. Sie reinigen nicht ihre Straßen. Herzog Heinrich d. J. wirft sie 1557 aus dem Land, aber sie gehen nicht, und wenn sie gehen, gehen sie nicht weit genug.

Diese ersten beiden Artikel wärmen viele Vorurteile auf, die von antisemitischen Gruppen bis 1938 sorgfältig gepflegt werden. Der Braunschweiger Leser gewinnt das Bild: die Juden gehören eigentlich ausgewiesen wie schon unter Herzog Heinrich.

Und tatsächlich sind ja viele von ihnen ausgewandert. Die Zahl der Juden ist in der Stadt Braunschweig von über 1000 (1925) auf etwa 350—400 im Frühjahr 1938 gesunken. Im Landkreis Holzminden ist der Rückgang ähnlich dramatisch: von 279 (1910) auf 112 im Frühjahr 1938. In Bad Harzburg, das um die Jahrhundertwende als ,Judenbad" gilt, bleibt 1933 die Kundschaft aus. In der Arbeiterstadt Schöningen verringert sich die Zahl von 48 (1928) auf 18 (1938).

Die Fortsetzung der Artikelserie von Rohmann am 26.2. und 6.3.1938 beschreibt die Juden als unruhige Menschen. Sie treiben „als reisende Handelsjuden im Herzogtum ihr Unwesen”. Sie raffen Besitz, zusammen und gefährden das ehrliche Handwerk. Sie erweitern die Synagoge am Kohlmarkt und mißbrauchen ihre staatsbürgerliche Gleichsetzung mit einer Rabbinerversammlung am 18.6.1844. „Die Rabbis werden mit einem schwungvollen Begrüßungsgedicht empfangen, in dem ungeschminkt die Ziele des Weltjudentums genannt werden”. ,Ja es scheint, als ob man Braunschweig als Keimzelle des Vernichtungskampfes (nämlich gegen die Braunschweiger) ansah." Der Leser soll mit solchen Schilderungen nicht in die Vergangenheit entführt werden, sondern sie mit der gegenwärtigen Lage vergleichen: Noch bis vor kurzem war viel Besitz in jüdischer Hand vereinigt. Das Städtchen Stadtoldendorf verdankt seinen Aufstieg seit Ende des vorigen Jahrhunderts der dortigen mechanischen Weberei, die in jüdischem Besitz und Arbeitgeber für die ganze Stadtoldendorfer Umgebung ist. Dort ist der Anteil der jüdischen Bevölkerung auch konstant geblieben: 1914: 57 Juden, 1933: 56 Juden. Das steuerpflichtige Einkommen beträgt 1914 für die fast 3.500 ev. Einwohner 421.000,—RM, für nur 57 Juden dagegen 828.000,— RM.

Der Artikel von Rohmann zeichnet mit den Stichworten „Synagoge”, „Weltjudentum will Vernichtungskampf”, „sie gehören nicht zu uns” genau die Absicht des 9. November vor. Der Leser soll denken: wer nicht zu uns gehört, auf den können wir verzichten. Und wenn die Juden uns vernichten wollen, bleibt ja noch die Möglichkeit, vorher den Spieß umzudrehen.

Der letzte Artikel am 20. März beschäftigt sich vor allem mit dem Verhältnis der Juden mit den Christen. Viele Juden lassen sich durch die Taufe äußerlich christianisieren, aber nur, um mehr Bürgerrechte zu bekommen. Der Schluß des Artikels kennzeichnet die ganze Serie: „Wir alle wissen, daß wir — leider — nach wie vor Juden unter uns haben und daß ihnen kein Haar gekrümmt wird ... doch hat die Beschäftigung mit diesem Problem (nämlich der Judenfrage) nichts mit Pogromvorbereitung zu tun, ebensowenig wie dies Ziel und Zweck dieser Aufsatzserie ist. Wir Braunschweiger insbesondere sind bewundernswert geduldig gewesen zu allen Zeiten, obwohl man uns eine Unsumme von Falschheit, Betrug und Verbrechen jeder Art von jüdischer Seite beschert hat. Wir haben mancherlei erduldet — aber wenig gelernt; nun ist es an der Zeit, daß wir aus dem Erduldeten für die Zukunft lernen.” Deutlicher konnte der Verfasser seine wahre Absicht nicht beschreiben. Hier wird die Begründung für die Ereignisse im Herbst 1938 geliefert (Betrug und Verbrechen), die Methode geschildert (Pogrom) und die Braunschweiger zum „Lernen” aufgerufen.

Als von Karlwalther Rohmann 1976 der vielgekaufte Bildband „Braunschweig so wie es war” im Düsseldorfer Droste-Verlag erscheint, kommen die Braunschweiger in den Genuß einer vollständig „judenreinen” Abhandlung. Auf Seite 88 ist, 5 Seiten vor Schluß, Rohmann bei der Inflation 1923 angelangt und fährt fort: „10, 20 und mehr Jahre gingen dahin; es änderte sich im Grunde nichts an der Art zu leben ... und dann kam die Nacht des 15. Oktober 1944” — der entscheidende Bombenangriff auf die Stadt Braunschweig. Ach nein, vorher war die Pogromnacht und 14 Tage vorher zu Beginn des Sabbats, am 28. Oktober 1938, die erste Massenverhaftung von Juden im Land Braunschweig: nach einer parteiamtlichen Statistik 74 Bürger, darunter zwei Frauen, die sich in Bad Harzburg zur Kur aufhalten, 3 Personen aus dem Kreis Helmstedt, 69 aus der Stadt Braunschweig, darunter 11 Kinder unter 15 Jahren. Einige von ihnen haben polnisch klingende Namen. Die polnische Regierung hatte eine Verfügung erlassen, wonach alle in Deutschland ansässigen polnischen Juden am 29. Oktober ihre polnische Staatsangehörigkeit verlieren würden. Die deutsche Regierung benutzt diese unselige Verfügung, um noch vor dem Stichtag, dem 29. Oktober, eine große Anzahl von Juden mit polnischem Geburtsort nach Polen abzuschieben: Massenverhaftung und folgende Massenabschiebung unter unwürdigsten Umständen.

Unter den abgeschobenen Hannoveraner Juden ist ein Name, der in den nächsten Tagen immer wieder ganz groß in der Presse stehen wird: Grynszpan. Der 17jährige Sohn, Herschel Grynszpan, hatte in Paris von der Ausweisung auch seiner Familie nach Polen erfahren, geht am 7. November 1938 in die Deutsche Botschaft von Paris und schießt den jungen Legationssekretär v. Rath lebensgefährlich an. Das Attentat sei von den Nationalsozialisten organisiert, sagen die Einen; sie brauchten endlich einen Vorwand, um die lange in den Schubläden liegenden Pläne für einen Judenpogrom hervorzuholen. Die parteioffizielle Version lesen die Braunschweiger am 8. November in der Lokalpresse: „Hinter Grynszpan die ganze Judenschaft”, und der Kommentar unter der Überschrift „Die Judenschaft ist schuld” endet so: „Das Maß ist jetzt voll. Die unterirdische Tätigkeit des Weltjudentums ist eine einzige Kette von Verbrechen. Wer den Mord als erlaubtes „Demonstrationsmittel” zur Unterstreichung einer verbrecherischen Lügenkampagne braucht, kann mit keiner weiteren Schonung mehr rechnen. Verbrecher werden in Zukunft als Verbrecher behandelt werden müssen”, ganz im Stil von Karlwalther Rohmann.

Der nächste Tag, der 9. November, ist von der ns. Liturgie besetzt und ein großer Feiertag: „der Tag der Bewegung”. Eigentlich feiert das demokratische Deutschland an diesem Tag die Befreiung von der Monarchie im Jahr 1918 und die Braunschweiger den Beginn des Freistaates mit der Einführung des allgemeinen gleichen Wahlrechts. Das jährte sich in diesem Jahr zum 70. Mal, eine runde Zahl, und eines Gedenkens wohl wert. Für Hitler aber ist der Ausbruch der Novemberrevolution ein Werk nicht etwa republikanischer Kräfte, sondern des Weltjudentums und außerdem ein Tag seines gescheiterten Putsches von 1923, als er von München aus nach Berlin durchmarschieren wollte, aber nur ein paar Meter weit kam.

Das gilt es zu vertuschen mit einer sich jährlich reichsweit wiederholenden, nächtlichen, schwülstigen Feier. Abends treffen sich viele Braunschweiger am Nußberg: Fackeln, lodernde Flammen, SA-Chöre, Fanfaren, Trommeln, Scheinwerfer. Einer sagt ein Gedicht auf. „Der Himmel blau und die Erde braun/Eure Gräber und Kränze die mahnen/Und wieder vom Turm/Ruft die Glocke Sturm/Nun tragen wir ihre Fahnen.” Die Scheinwerfer verlöschen, man strömt zurück. Im Staatstheater gibt es immer noch Wagners „Götterdämmerung”.

Von der Gandersheimer Feier schreibt der Lokalredakteur Röse einen schauerlich schönen Bericht: „Einer hat nie den Glauben verloren: der Führer! Vergeßt nie, welche unermeßliche Summe des Dankes wir ihm schulden. Sein Glaube allein hat uns hoch gehalten.”

Auf den Dörfern spielt sich die Feier meist im Saale ab. Kein Dorf bleibt davon verschont. Danach bleibt man im jeweiligen „Sturmlokal” noch gemütlich beisammen.

Die Wettervorhersage lautet: „Nachts kühl, örtlicher Frühdunst. Fortdauer des ruhigen und freundlichen Herbstwetters”, die Wettervorhersage für die Pogromnacht.

In dieser „kühlen, ruhigen, freundlichen” Nacht werden auf tumultuarische Weise ohne jeden Haftbefehl nach einer parteiamtlichen Statistik in der Stadt Braunschweig 149 Juden verschleppt: In der Nähe des Stadtparkes wohnt in der Lützowstraße 6 der 50jährige Kaufmann und Handelsrichter Gustav Elias Forstenzer. Uniformierte dringen in die Wohnung ein, demolieren die gesamte Inneneinrichtung, und das Ehepaar Forstenzer und die Söhne Claus (19J.), Martin (16J.) und Peter (15J.) werden verhaftet. Einen richterlichen Bescheid gibt es in dieser Nacht nicht. — Am Stadtpark 2 wohnt der Leiter der jüdischen Wohlfahrtsstelle Herbert Frank. Er ist auch im Vorstand der jüdischen Gemeinde tätig. Seine Frau und die 12jährige Tochter Suse werden zum Sammelpunkt gebracht. Der Rechtsanwalt Leo Tannchen aus der Wilhelm-Bode-Straße 8 hat schon seine Erfahrungen mit der Partei. Im April 1933 war er bereits im Untersuchungsgefängnis Rennelberg. Zwei Söhne konnte er vor 2 Jahren ins Ausland retten. In dieser Nacht wird er mit seiner Frau und dem Sohn Rudolf Alfred verhaftet. Unter den „Verhafteten” in dieser Nacht sind Kinder und Jugendliche: der 10jährige Siegbert Hartmann aus der Hagenstr. und seine 13jährige Schwester Siegrid, die 14jährige Ruth Heiber und der 8jährige Stefan Schiff. Viele Juden wohnen in der Nähe der Synagoge in der Knochenhauerstraße. Gleich um die Ecke liegt in der Steinstraße das einzige jüdische Restaurant, das von den 3 Schwestern Amalie, Luise und Gertrud Baron bewirtschaftet wird. Es wird in dieser Nacht total demoliert. Amalie Baron muß ins Krankenhaus geschafft werden. Später wird der rechte Arm amputiert.

Der 50jährige Abraham Lauterstein, der ein Porzellangeschäft in Schöningen führt, berichtet: „Am 9. November 1938 morgens etwa 5.30 Uhr sind meine sämtlichen Schaufensterscheiben nachweislich durch eine einzelne Person eingeschlagen. Fräulein Gunda Gostynski, die im Vorderhause ein Zimmer bewohnte, hat als den Täter den derzeitigen Landrat Lehmann aus Helmstedt erkannt. Nach ca. 20 Minuten erschienen in halb-trunkenem Zustande etwa 20 uniformierte SS-Leute. Einige davon kamen zu mir ins Schlafzimmer und erklärten mich für verhaftet. Da ich Schwerkriegsbeschädigter und Prothesenträger bin, erklärte ich ihnen, mein Stumpf wäre entzündet, ich könnte meine Prothese nicht anschnallen; worauf einer der SS.-Leute sagte: „Der Jude muß mit; ganz gleich wenn auch mit Krücken.” Inzwischen haben der größte Teil der erschienenen SS.-Leute den großen Geschäftsladen in einen Schutthaufen verwandelt. In dem Laden sowie in den Schaufenstern ist nicht ein Stück heilgeblieben. Mit mitgebrachten Brechstangen sind die Regale von den Wänden gerissen, sämtliche 24 Lampen zerschlagen, Auslagekästen, Figuren und sonstige wertvolle Dekorationsteile vernichtet. Die Waren lagen im ganzen Lokal mit Glassplittern durchsetzt auf der Erde.”

In einem nach 1945 geführten Prozeß gegen einige Täter aus Bad Harzburg kommt u. a. folgendes zutage:

„Am Abend des 9. November 1938 fand im Kurhaus in Bad Harzburg eine Großkundgebung der NSDAP statt, die dem Gedächtnis des Marsches zur Feldherrnhalle gewidmet war. Daran nahmen Goedecke als Führer der örtlichen SA und die politischen Leiter teil. Am frühen Morgen des nächsten Tages wurde eine Razzia bei allen Juden von Bad Harzburg durchgeführt ... Die auswärtigen SS-Männer drangen u. a. in das in jüdischem Besitz stehende Hotel Ohrenstein ein, nachdem sie die Fensterscheiben zertrümmert hatten, demolierten die Einrichtung und führten sämtliche jüdischen Hausbewohner und Hotelgäste zum Rathaus ab. Vor dem Hotel nahm daraufhin ein SA-Posten Aufstellung.”

Alexander Bach und David Bach betreiben im Dörfchen Hehlen im westlichen Zipfel des Braunschweiger Landes zwei Bekleidungsgeschäfte. Die Mitarbeiter wohnen mit in den Geschäften.

„Wir alle wurden aus den Betten gerissen und ohne uns Zeit zu lassen, um uns richtig anzukleiden, wurden wir aus dem ersten Stock die Treppe heruntergetrieben. Der Lehrer Stapel zerrte uns an den Armen mit den Worten „Los, los, schnell, schnell”. In diesem Tempo wurden wir in das Feuerwehrspritzenhaus getrieben, wo wir, nur notdürftig bekleidet — in der kalten Nacht bis ca. 7 Uhr unter Bedrohung und Beschimpfungen verweilen mußten. Wir vermuteten, erschossen werden zu sollen. Um ca. 7 Uhr kam ein offener Lastkraftwagen, der mit uniformierten SS-Leuten mit aufgepflanzten Bajonetten besetzt war, vorgefahren, auf den wir unter gleichem Tempo getrieben wurden, darauf werden Männer aus anderen Orten, auch Glaubensgenossen, mit demselben Wagen abgeholt und in das SS-Lokal in das ca. 30 km entfernt liegende Holzminden gebracht.” So hat es Alexander Bach noch nach dem Krieg in Erinnerung.

In Holzminden sprengt die Anzahl der Verhafteten das Fassungsvermögen des örtlichen Gefängnisses. Die Verhafteten werden auf den großen Hof neben dem Rathaus gebracht: „Ich persönlich habe gesehen, daß bedeutende, angesehene Bürger hinter eisernen Gittern und Zäunen eingesperrt waren und auf einen Abtransport ohne Verurteilung warten mußten. Seitdem habe ich nichts mehr von ihnen gesehen, „berichtet einer, der anonym bleiben will, im Jahre 1976 dem Studenten Alfons Kleine, der über die Juden in Holzminden 1933-45 eine lesenswerte Examensarbeit abfaßt.

In der Anklageschrift gegen den ehemaligen Ministerpräsidenten Dietrich Klagges zitiert Staatsanwalt Dieckmann zwei Vorstandsmitglieder der Gemeinde Braunschweig, die im Oktober 1947 aussagen: „Vom Gestapo-Gebäude Leopoldstraße wurden alle Juden zum Gefängnis nach Wolfenbüttel überführt. Am nächsten Tag werden alle verhafteten Juden auf dem Hauptbahnhof in Braunschweig verladen und mit der Eisenbahn bis Weimar transportiert. Von dort erfolgte der Weitertransport nach dem KZ Buchenwald mittels Lastwagen ... Insgesamt wurden bei dieser Aktion mehrere 100 Juden verhaftet, worunter auch wir beide uns befanden.”

„Als ich am anderen Morgen nach Braunschweig fuhr”, berichtet heute ein Bad Harzburger, „sah ich die Zerstörungen in der Stadt. Ganze Ladenreihen waren zerstört. Die SA patrouillierte ...”

„Und dann kam die Nacht des 15. Oktober 1944 ... ", unvergleichlich vielleicht, aber auch mit dem Unterschied, daß Juden sich 1938 in Bunker nicht retten konnten.

Bei den Zerstörungen und Verhaftungen ist ein weit verzweigter, vielbeiniger Apparat in Bewegung: Hunderte von Polizisten, SS-Männer, Feuerwehrleute, Gestapobeamte, und SA-Formationen. Wer hat diesen Apparat in Bewegung gesetzt?

Zum Teil 2: Die Täter




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Impressum und Datenschutzerklärung  http://bs.cyty.com/kirche-von-unten/archiv/gesch/Pogromnacht/Pogromnacht1.htm, Stand: August 2006, dk