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Big Five und fünf kleine Finger
Die Praxis der ökologischen Balance
Die Beziehung zum Leib
Wie Freiheit, Glück und Ökologie zusammengehen

Wie Freiheit, Glück und Ökologie zusammengehen

Fingerreime kennt man bei uns in Deutschland kaum, höchstens im Umgang mit kleinen Kindern. In Wirklichkeit sind sie eine faszinierende Orientierungshilfe für komplizierte Zusammenhänge. Ein Fingerreim entsteht ganz von allein, wenn man sich „an den fünf Fingern abzählt“, was einem wichtig ist. Man kommt dann auf fünf Gesichtspunkte.

In uralten Zeiten war das sehr geläufig. Man hat deswegen von der „Quintessenz“ gesprochen, also „das Wesentliche oder Entscheidende sind fünf“. Der Ausdruck „Quintessenz“ bezeichnet noch heute das Wesentliche. Warum es aber gerade fünf sein sollen, ist schon lange vergessen. Dabei ist die Sache einfach und in der eigenen Hand für jeden Menschen offensichtlich.

Freilich, im Technik-Zeitalter ist der Blick auf die fünf Finger getrübt. Man sieht dann nur ihre Unzulänglichkeit etwa beim Klavierspielen oder beim Maschineschreiben, weil sie nicht gleich, sondern so unterschiedlich lang und beweglich sind. Diese Unterschiede in Gestalt und Bewegung sind aber gerade das Geheimnis. Sie machen die Hand zu dem unübertrefflich geschickten Greiforgan. Die Verschiedenheit der Finger führt jedoch noch viel tiefer.

In den alten Zeiten schon hat man bei der Betrachtung der so unterschiedlichen fünf Finger etwas ganz Eigenartiges entdeckt. Jeder Finger erinnert mit seiner charakteristischen Gestalt und Bewegung an einen Impuls, der in jedem Menschen lebendig ist und ihn treibt. Von Finger zu Finger, angefangen beim Daumen, ergibt die Aufzählung dieser Impulse einen Fingerreim:

DaumenIch brauche Freiheit,
Zeigefingerwill wissen, was wahr und falsch ist
Mittelfingerund erwarte, dass es gerecht zugeht.
RingfingerIch liebe und möchte geliebt werden
kleiner Fingerund hänge am kurzen und dauernd gefährdeten Leben.

Die Reihe der fünf Impulse, die wir so erhalten, Freiheit - Wahrheit - Gerechtigkeit - Liebe - Leben, ist nun keineswegs zufällig. Die Fünf Begriffe stehen in einer ganz einzigartigen Beziehung zueinander. Sie bilden eine widerspruchsvolle Einheit, so etwas wie eine „Fünfeinigkeit“ oder eben Quintessenz.

Ist man z. B. auf Freiheit aus, so geht das auf Kosten der Gerechtigkeit und umgekehrt. Ähnliches gilt für das Verhältnis von Liebe und Freiheit, Liebe und Wahrheit, Wahrheit und Leben, Leben und Gerechtigkeit. Und doch, die fünf brauchen einander notwendig; denn was wäre Liebe ohne Freiheit, ohne Gerechtigkeit oder ohne Wahrheit, was wäre Gerechtigkeit ohne Freiheit, Leben ohne Gerechtigkeit oder Liebe? Viel spricht dafür, dass mit der Einheit dieser fünf Aspekte so etwas wie die Quintessenz des sozialen Friedens sichtbar geworden ist oder die Grundformel sozial-ökologischer Gerechtigkeit. Demnach käme es darauf an, die fünf auseinanderstrebenden Anliegen in eine Balance zu bringen.
Diese Balance sieht auf den ersten Blick sehr nach fortwährender Gedankenakrobatik aus. Obwohl es nur fünf Aspekte sind, scheint die Vielfalt der Widersprüche und gegenseitigen Abhängigkeiten den Menschen zu überfordern. Jedoch, ist nicht alles in der Gestalt der Hand vor Augen? Lässt das überaus komplizierte Zusammenspiel der fünf Finger vielleicht vermuten, dass der Mensch auch seine fünf so widersprüchlichen Impulse oder Interessen unbewusst ganz gut zu balancieren bzw. zu „handhaben“ weiß? So dass er sich dies durch Anschauung und Fingerreime mehr und mehr bewusst machen und das Balancieren lernen kann?
Die Hand bzw. der Fingerreim würde dann zu einem global wirksamen Mittel der Verständigung. Allen Menschen wäre überall, unabhängig von Kultur und Sprache, die soziale und ökologische Orientierung direkt „auf den Leib geschrieben“.

Genau dagegen sträubt sich nun allerdings das herrschende abendländische Denken. Ihm ist die Trennung von Körper und Geist selbstverständlich. Dass das widerspruchsvolle menschliche Streben nach Freiheit - Wahrheit - Gerechtigkeit - Liebe - Leben in den fünf Fingern zu erfassen, ja in ihnen sozusagen verkörpert sein soll, will man nicht ernsthaft in Erwägung ziehen. Verständlich ist die Angst, hier werde die Freiheit des Geistes eingeengt auf körperliche Begrenzungen. Tatsächlich jedoch ist das Gegenteil der Fall.

Nichts verschafft dem Menschen soviel Freiheit wie die Vergewisserung, dass seine Interessen oder Anliegen berechtigt sind. Sind diese Anliegen aber in der Gestalt der Finger angelegt, können sie im Greifen der Hand begriffen werden, so gehören sie ganz zu ihm. Fingerreime sind also ein Weg, die ganze Breite der menschlichen Möglichkeiten wahrzunehmen und zu leben. Was hier nur skizzenhaft beschrieben werden konnte, ist in der angegebenen Literatur ausführlich dargestellt.

Heilgard Stieber, Eberhard Fincke, Christine Gholipour Ghalandari,
Fingerreime.
Hildesheim 2001

Eberhard Fincke,
Handbuch der Befreiung. Wie der Mensch in Bewegung kommt.
Hildesheim 1995

Eberhard Fincke,
Die Wiederentdeckung der sozialen Intelligenz. Balance der Interessen in einer zukunftsfähigen Gesellschaft.
Stuttgart 1977

Eberhard Fincke,
Gesang gegen die herrschende Meinung. Das Vaterunser - ein Fingerreim.
Stuttgart 2000

nach oben zeigende Hand
http://bs.cyty.com/fingerreim/de/orientierung/freiheit-glueck-oekologie/index.shtml, Stand: 11. October 2012, jk