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Gott ist anders im VaterunserDie meisten Menschen können nicht viel anfangen mit der Bitte im
Vaterunser: „Und führe uns nicht in Versuchung“. Dieser Satz
widerstrebt dem, was sie von Gott denken. Auch jetzt wieder, beim
Vaterunser-Projekt in PUBLIK FORUM, haben so gut wie alle, die sich zum
Vaterunser äußern oder eigene Formulierungen dazu vorstellen, die Bitte in
dem überlieferten Wortlaut abgelehnt. Sie lassen sie entweder aus oder
machen daraus: „Und führe uns in der Versuchung“ oder
„Erlöse uns von der Versuchung“. All diese Schwierigkeiten lösen sich jedoch völlig auf, liest oder spricht
man das Vaterunser als Fingerreim. Man geht dabei das Vaterunser vom Daumen
bis zum kleinen Finger und wieder zurück Satz für Satz durch. Jedesmal gibt
der Finger der entsprechenden Bitte durch seinen Charakter das Stichwort. So verstanden versetzt die Bitte die Beterin oder den Beter mit einem
Schritt mitten in eine ganz neue, ungewohnte Beziehung zu Gott. Gott ist
nicht mehr jemand für sich oder außerhalb des Menschen, dem man entweder
vertraut, weil er glaubhaft, oder mißtraut, weil er vielleicht ein Sadist
ist. Gott ist dem Menschen auf einmal unmittelbar nah und lebendig in dem,
was ihn zum Menschen macht. Das ist hier die überaus schöne Begabung, gut
und böse bewußt zu unterscheiden. Jedoch, alsbald zeigt der Mensch auf den
Splitter im Auge des anderen, urteilt und verurteilt, und ehe er sich
versieht, gerät ihm dies zum Glaubenszwang und steigert sich zum
Vernichtungskrieg gegen das Böse. So lebt er fern vom Paradies, weil er eben
vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen gegessen hat, den doch Gott
gepflanzt hat (I. Buch Mose 3). So hat Gott nichts mehr zu tun mit Macht, Moral und Bevormundung, gehorcht
der Mensch nicht irgendwelchen Geboten oder gar Verboten. Eher umgekehrt
beginnt er, endlich jene Bedürfnisse oder Emotionen bei sich wahrzunehmen
und zuzulassen, die er sich in einer langen, entmutigenden Tradition der
Bevormundung versagt und nicht erlaubt hat, den Willen zur Freiheit, die
Sehnsucht nach Gerechtigkeit oder den Mut zur Liebe. Das Vaterunser als Fingerreim ist ein faszinierendes Beispiel dafür, wie ein Gebet dazu verhelfen kann, Gott in der eigenen, sinnlich erfahrbaren Kraft wieder zu entdecken. Diese rettende Kraft steckt in den fünf Begabungen oder Emotionen gerade dort, wo sie verschlafen oder verkümmert sind, weil sie nicht erlaubt oder gewagt wurden. Diese Kräfte sind wie Wasser oder Feuer. Sie sind gewaltig, können aber deswegen auch zerstörerisch sein. Gerade darin geht einem Gott ganz anders auf. Gott ist nicht mehr jenseits, eine höhere, übernatürliche oder übersinnliche Energie, mit der der Mensch in Kontakt zu kommen sucht, weil seine natürlichen menschlichen Kräfte am Ende sind. Läßt man sich die Stichworte zu den einzelnen Bitten im Vaterunser anhand der fünf Finger geben, wird Gott diesseits erfahren, in der eigenen, immer wieder nicht für möglich gehaltenen Kraft. |
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http://bs.cyty.com/fingerreim/de/religion/vaterunser/index.shtml, Stand: 11. October 2012,
jk
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